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Oliver Zöllner:
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Marshall McLuhan (1911-1980):
Medien­orakel im "glo­bal village".

Eine Rück­schau auf sein Werk aus An­lass sei­nes 100. Ge­burts­tages – und darüber hinaus


McLuhan = Pop? Artwork © Oliver Zöllner 2017 Selten hat ein public intellec­tual sein Publi­kum so entzweit – und das bis in die Gegen­wart. Er war der Medien­guru der 1960er-Jahre, der Autor von ungewöhnlichen Bestsellern und prägte Rede­wendungen wie "The medium is the message" und "the global village", die bis heute geläufig sind: der kanadische Literatur­wissen­schaft­ler und Medien­analytiker Marshall McLuhan (1911-1980). In den Sechzigern war er Schlag­wort­geber für so ziemlich alles, was mit Medien zu tun hatte: der große enigmatische Erklärer, dauerpräsent in Zeitschriften und Talk-Shows. In den Siebzigern geriet McLuhan allmählich ins Abseits – die Medien hatten ihn durchgespult, die Öffent­lich­keit hatte ihn dank Über­fütterung satt; hinzu kamen gesund­heitliche Probleme. Immerhin war er auch später noch so bekannt, dass er in Nord­amerika vielfach parodiert werden konnte: Die Montrealer Comedy-Truppe "The Vestibules" etwa sangen 1995 ihre schlitzohrige "Ballad of Marshall McLuhan" mit dem Refrain "... you're such a groovy thinker and / we really dig what you say 'cause / you've got the best insights into mass media / this side of the Rio Grande." So etwas muss man erstmal singen können.

Mitte der 1990er Jahre wurde McLuhan auch von Netz­euphorikern und Medien­wissen­schaft­lern auf breiter Basis wieder­entdeckt: als Prophet des Internet­zeit­alters. "Marshall McLuhan is back from the dustbin of history; with the Internet, his ideas again seem ahead of their time", konstatierte die "New York Times" am 14.10.2000. Im selben Jahr erschien sein Konterfei gar auf einer kana­dischen Brief­marke: welch ironischer Medien­wechsel für den Vordenker der elektro­nischen Revolution! Seit den 1990er Jahren verviel­fachten sich die Buch­veröffent­lichungen über ihn. Die 100. Wiederkehr seines Geburts­tags am 21.7.2011 hat ihn in Debatten­zirkeln weltweit erneut ins Bewusst­sein geholt. Manche Artikel sprachen gar von der "Wieder­aufer­stehung" eines verkannten Klassikers: "Early media prophet is now getting his due", so die "New York Times" am 25.7.2011 in ihrer Rück­schau auf die Feierlich­keiten. Denn dass er ein Vordenker des virtuellen Zeit­alters war, scheint unbestritten:

"In effect antici­pat­ing the Internet and the World Wide Web, McLuhan wrote about the emer­gence of a global village in which humans around the planet increa­singly partook, often simulta­neously, of a single, genera­lized consciou­sness" (Howard Gardner/Katie Davis: The App Generation. New Haven, London 2013, S. 22).

Nun denn: Alle Menschen geschwister­lich beieinander, vereint durch ein mediatisiertes Licht der Auf­klärung – das klang verheißungs­voll. McLuhan war ein Zeichen seiner Zeit, seine Schriften irgendwie hip, seine Thesen durchdrungen von einem gewissen … je ne sais quoi. Ach, wie bleiern dagegen Adorno und Horkheimer!

Marshall McLuhan Way, 96 St. Joseph Street, Toronto, Ontario, Canada. Picture © Oliver Zöllner 2008 Ihrem wohl berühmtesten Emeritus zu Ehren hat die Universität Toronto einen Straßenabschnitt an dessen früherem Büro nach ihm benannt: der Marshall McLuhan Way, 96 St. Joseph Street.
Foto: Oliver Zöllner (2008)


Das Feuilleton und die arri­vierte Akademiker­zunft in Deutsch­land hegten lange Jahre große Vorbehalte gegen McLuhan und seinen aphoristischen und von Paradoxien gelenkten Denkansatz. Hans Magnus Enzens­berger nannte ihn 1970 den "Bauchredner und Propheten" einer "apolitischen Avantgarde" und einen Autor "wirrer Bücher", "unfähig zu jeder Theorie­bildung" (in: "Kursbuch" 20, S. 91). Das saß – für lange Zeit. Und Spuren dieser Skepsis einem in der Tat ungeord­neten und der klassischen linearen Argumentation oft abholden Theorie­gebäude gegenüber finden sich denn auch in Thomas Assheuers Essay "Der Magier" in der "Zeit" vom 21.7.2011 wieder. In ihm verweist er auch auf McLuhans antimodernen Züge, über die sich seine Biographen nur sehr verhalten geäußert haben.

Für McLuhan, diesen an mittel­alterlicher und Renaissance-Philo­sophie geschulten Rhetoriker, war die von den neuen elektronischen Massenmedien wie Radio, Fernsehen und Computer angestoßene Rückkehr ins mythische "oral-akustische" Zeit­alter – in die Phase der menschlichen Entwicklung vor Erfindung des mechani­schen Drucks – gewisser­maßen die Erlösung: von einer Moderne, die der tiefgläubige Katholik McLuhan unerträglich fand. "Wer McLuhan heute liest, kommt aus dem Staunen nicht heraus, der Mann war ein Hellseher, der groß gedacht und groß geirrt hat", so Thomas Assheuer. Das könne man auch weniger vornehm ausdrücken: "All die Medien­philo­sophen und Kultur­wissen­schaftler, die McLuhan blind gefolgt sind, haben beträchtlichen Unfug verbreitet" und "verklärten das Internet zur Erlösungs­religion."

Ja, diese Medien­wissenschaft (die mit McLuhan überhaupt erst ihr Fundament erhielt): Sie hatte den guten 'Mäc' weiland zwar "verschlungen wie Marx und Mao; aber er erwies sich als wenig geeignet für exakte Analysen und Inter­pretationen", konstatiert Claus Pias in seinem Geburtstags­artikel "Medium, roh und blutig" in der "Frank­furter Allge­meinen Sonntags­zeitung" vom 17.7.2011. Medien zu verstehen bleibe eine Unmöglichkeit, meint Pias: "Wir sind immer schon in Medien eingeschlossen, und diese Einge­schlossen­heit (...) ist so haltlos wie der Poe'sche Maelström, den McLuhan so häufig zitierte" ("Der Medien­ver­ste­her. Lesen auf eigene Gefahr", in: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 21.7.2011). Und so gurgelt, zirkuliert und oszilliert die McLuhan-Exegese weltweit zwischen Bewunderung, Ablehnung und dezidiertem Ignorieren.

Und daher: Wotcha doin', Marshall McLuhan?, wie schon Mitte der 1970er Jahre Autoaufkleber in den USA fragten. Was ist dran an den Thesen dieses vielleicht "wichtigsten Denkers seit Newton, Darwin, Freud, Einstein und Pavlov", wie Tom Wolfe einst euphorisch-skeptisch formulierte (in Tom Wolfe: The Pump House Gang. New York 1968, S. 133) – "What if he is right?" Wir schauen einmal nach.

Kommentierte Auswahlbibliographie der Schriften von Marshall McLuhan:

• Herbert Marshall McLuhan: The Mechanical Bride: Folklore of Industrial Man. New York 1951.

McLuhans erstes Buch – und gleich im Großformat: Auf einer Seite jeweils eine Werbeannonce ("die Höhlen­malerei" der Gegenwart, so McLuhan), auf der Folgeseite McLuhans Kommentar und Analyse. Eine radikale Absage an eine logische, lineare Argumen­tations­struktur. Das Buch für alle Werber. Bizarr und witzig. Kultur­pessimis­tisch. Denn keineswegs fühlte sich McLuhan wohl in der Moderne mit ihren "mechanischen Bräuten", mit denen wir uns vermählen sollten. Bis heute ist das Buch eine Fundgrube für a) krude Werbung aus den späten 1940er und frühen 1950er Jahren, b) einen tiefen­sozial­psycho­logischen Blick in die Seele der USA auf dem Höhepunkt ihrer Macht und ihres Nach­kriegs-Optimismus, c) alle McLuhanisten auf der Suche nach den Ursprüngen des assoziativen, sprung­haften McLuhan'schen Stils, der ihn später noch so berühmt machen sollte. Ein frühes Werk der Popliteratur, als es dieses Genre noch gar nicht gab. Ein Vorläufer auch der modernen Mythenforschung, mit der der Franzose Roland Barthes ("Mythen des Alltags") wenige Jahre später so bekannt werden würde. 1951 war die "mechanische Braut" ein Ladenhüter. Heute ist die Erst­auflage eine bibliophile Rarität. Nachdrucke: zahlreich.

• Marshall McLuhan: The Gutenberg Galaxy: The Making of Typographic Man. Toronto 1962.

McLuhan legt los. Elf Jahre nach seiner ersten Monographie sein erstes Opus magnum. Ein Buch über Bücher und die Auswir­kungen der Litera­lität. Bescheiden nennt er es eine "Fußnote" zum Werk des kanadi­schen Wirtschafts­historikers Harold A. Innis (Empire and Communications; The Bias of Communication), mit dem er kurzzeitig korrespondiert hatte. Auf den ersten Blick eine klassische akade­mische Analyse der Auswir­kungen der Is the printed word becoming obsolete? Artwork © Oliver Zöllner 2015 Entwick­lung der Schrift, später des mecha­nischen Buch­drucks und nach­folgend der Alpha­beti­sierung: die Geburt der visuellen Kultur und ihres Leit­mediums, des Buches. Und gleich­zeitig ein Buch über das sich in den 1960er-Jah­ren ab­zeich­nen­de En­de die­ser visu­ellen Buch­kultur, her­vor­geru­fen durch die zeitge­nössisch neuen elektro­nischen Medien (Radio, Fernsehen). Menschen würden fürderhin ihre Gedanken nicht mehr linear und sequenziell ordnen, sondern zirkulär verschalten und alles mit allem jederzeit teilen. (Also fast wie 40, 50 Jahre später im Internet.) Eine Rückkehr zur oralen Stammesgesellschaft. Das Ende des geordneten Arguments. Und genauso ist auch dieses Buch geschrieben: Man kann es an jeder beliebigen Stelle aufschlagen und erhält doch immer ein Fraktal des Ganzen. Eine Absage an 2000 Jahre lineare Logik und ordentliche Wissen­schaft. So macht man sich Gegner. Aber McLuhan war inzwischen ordentlich bestallter Professor. Und erfreute sich an den Verwirrungen, die er auslöste. Nicht zuletzt mit seinem eigenwilligen literarischen Stil, der Paradoxien und Idiosynkrasien nicht als Widersprüche ansah, sondern als Beleg für die eigenen Thesen. Dieses Buch ist für den Leser eine Heraus­forderung, aber eine durchaus lohnenswerte: eine Reise in die Kulturgeschichte, geschrieben an einem ihrer Wendepunkte.

McLuhans Thesen aus The Gutenberg Galaxy halten binnen weniger Jahre, aller Skepsis zum Trotz, Ein­zug selbst in die Kunst­sozio­logie, am promi­nen­tes­ten sicher bei Hauser: "McLuhan hört nicht auf, zu wiederholen, daß die visuelle Homo­genität des Buch­drucks der Proto­typ der indus­triellen Techno­lo­gie und der stärkste An­trieb zur Me­chani­sierung, Ra­tionali­sierung und Ent­persön­lichung des Lebens gewesen sei." (Arnold Hauser: Soziologie der Kunst. München 1974, S. 653)

Die Duplizität der Ereig­nisse, damals, Anfang der 1960er Jahre. Man kann es nicht belegen, aber spüren, dass die Dinge sich ändern. Während McLuhan versucht, den Über­gang von der mecha­nischen zur elektro­nischen Denk­weise theoretisch einzu­fassen, nimmt der amerika­nische Roman­autor Thomas Pynchon in seinem Erstlings­werk V. (1963) McLuhans pointier­testes Sinn­bild vorweg: das des Mediums als "extension" (Auswei­tung oder Prothese) der mensch­lichen Sinnes­wahr­nehmung. Eine der rätsel­haften Roman­figuren bei Pynchon koppelt sich mit Elektroden an ein Fernseh­gerät an, "thus became an extension of the TV set" und ver­doppelt so betrachtet dessen Mediali­tät (V.: A Novel. London 1963, S. 56). Es deuten sich hier bereits in der Litera­tur neue Welt­sichten und Wahr­nehmungen an, einem "Früh­warnsystem" nicht unähnlich. Die Postmoderne wird salonfähig. Ob McLuhan Pynchons Buch gelesen hat, als er an Understanding Media schrieb? Mit seinem Buch jedenfalls wird es bald McLuhan sein, der eine neue Wahr­nehmung von Mediali­tät popularisiert.

• Marshall McLuhan: Understanding Media: The Extensions of Man. New York, Toronto, London 1964.

Die Fußnote zur Fußnote. The Gutenberg Galaxy reloaded. Erweitert, leichter verständlich und zugänglicher, quasi die populär­wissenschaftliche Sachbuch-Version. Mit vielen schlechten Witzen und tollen Wort­spiele­reien, die in Über­setzungen leider verloren gehen. McLuhans Analysekonzept wird bis zur Erschöpfung vorgestellt, Medium für Medium. Und das Medium ist die Botschaft. "In a culture like ours (...) it is sometimes a bit of a shock to be  reminded that (...) the medium is the message." (S. 7) Wahrscheinlich der wichtigste Satz im Denk­gebäude McLuhans, von ihm zuerst im Sommer 1957 auf einer Radio­konferenz – eher beiläufig übrigens – geäußert. 1964 geriet dieses Statement zum Weckruf der entstehenden Mediengesellschaft: Was sind eigentlich die Medien, was machen sie mit der Gesell­schaft?

According to McLuhan, books are hot media

McLuhan verweist darauf, dass nicht zentral die Inhalte der Medien zu beachten seien (also das, was man liest, hört oder sieht), sondern die Tatsache, dass man Bücher liest, Radio hört und fernsieht: Die in der Gesellschaft vorherrschenden Medien beein­flussten die Wahr­nehmungs- und Inter­aktions­modi eben jener Gesell­schaft; sie erschienen als "extensions" der Sinnesorgane des Menschen; eine Evolution der Medien bedeute also stets auch einen Wandel im Sensorium der Gesell­schaft. Und diese (westliche) Gesell­schaft sei gerade im Begriff, sich zurück zu verwandeln in eine orale Stammes­gesellschaft, zusammen­gehalten von den elektro­nischen Medien und ihrem anti­logischen Neben­einander von Unverbundenem. Die Welt implodiere dank Informations­technologien und Beschleunigung zu einem Dorf ("the global village"). 1964? Kann das sein?

"Dear God – if only Marshall had been alive during the 1990s! (...) How he would have loved the Web! What a shimmering Oz he would have turned his global village into! Behold! The fulfillment of prophecies made thirty years before! The dream of the mystical unity of all mankind – made real!" (Tom Wolfe: "Foreword" in: Marshall McLuhan [Stephanie McLuhan and David Staines, eds.]: Understanding Me: Lectures and Interviews. Toronto 2003, S. xxii)

McLuhan beschreibt facettenreich den Übergang von der mechanischen zur elektronischen Verkehrsweise: Vorbei seien die Zeiten der hierar­chischen Zentrum-Peripherie-Struktur; nun werde jeder Medien­nutzer sein eigenes "Zentrum" im Netz der Informationen. Was auch dieses Buch in seiner eigenen Medialität wider­spiegelt: Es kommt wiederum als ein fraktales Kompendium daher, nur noch radikaler in seiner Absage an gründlich belegte Argumente. Oft fand sich denn auch unhalt­barer Unfug in Understanding Media (zwei Drittel des Buchs). Manches war grandios gedacht (ein Drittel). Inspi­rierend interdiszi­plinär waren drei Drittel. Wenn man sich als Leser auf McLuhans Spiel einlässt, verschalten sich die bisher eifersüchtig getrennten Wissens­gebiete des eigenen Gehirns zu etwas Neuem, Holistischen, Interdiszi­plinären. Alles war jetzt.
Die Beatniks und Hipster (und später die Hippies) liebten das Buch. Und ahnten kaum, dass sein Autor ein konservativer, frommer Katholik war, der mit den großen Gedanken der kommenden Welt­revolution von 'Peace and Love' rein gar nichts am Hut hatte. Doch die Grundlage für den Ruhm des Kanadiers war gelegt. Es beginnt die Phase von McLuhan als Medienguru, Orakel und public intellectual, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte. Bis heute kann man fast alles aus Under­standing Media heraus­lesen, was man hinein­lesen möchte. Der Göttinger Publizistik-Professor Wilmont Haacke machte reichlich Gebrauch hiervon und nannte McLuhan in seiner Auseinandersetzung mit Understanding Media ein "Modeorakel" und einen "Fernsehideologen", der "in einer zeitlich und räumlich unbegrenzten Dauerinformation der Menschheit nur Heil und Segen" erblicke (Wilmont Haacke: Publizistik und Gesellschaft. Stuttgart 1970, S. 71). War das noch McLuhan?
Einige zeitge­nössische Rezen­sionen waren noch unfreundlicher. So schrieb etwa das Time Magazine vom 3. Juli 1964 in seiner Besprechung, Under­stand­ing Media biete "just the right combination of intelli­gence, arro­gance and pseudo science" – und listet einige widersprüchliche Zitate auf. McLuhans feuilletonistische Verspieltheit kommt bei dem anonymen Rezensenten nicht gut an:

According to McLuhan, television is a cool, tactile medium. Photo © Oliver Zöllner 2005

"(...) if the book is taken seriously, it must be judged as fuzzy-minded, lacking in perspec­tive, low in defi­nition and data, redundant, and contemp­tuous of logical sequence – which is to say that McLuhan has perfectly illus­trated the cool qualities he most values in communi­cations." (Time, July 3, 1964, S. 88)

In der Tat waren manche Ideen in dem Buch unaus­gereift, etwa McLuhans Eintei­lung in "kühle" Medien wie das Telefon, moderne Malerei und vor allem das Fern­sehen (datenarm, also fordernd und invol­vierend) und "heiße" Medien wie Kino­filme, Foto­grafien oder das Radio (daten­reich, hoch aufgelöst und meist sequen­tiell, linear und logisch). Nicht immer passt das; man kann McLuhan bis heute mit seinen eigenen Bei­spielen widerlegen. Und manche schöne Idee in Under­standing Media war geborgt: etwa die zentrale These vom Welt­dorf, die mehr oder minder direkt von Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) und dessen Konzept der Noösphäre entlehnt scheint.

1964 ... Die Popkultur ist im Umbruch. Das Medium Fernsehen ist noch jung und bringt die Beatles live ins Wohnzimmer ... und bald auch Studenten­unruhen daheim und Kriege in fernen Ländern. An Universi­täten in Nord­amerika zeichnen sich allmählich curriculare Umrisse zur Erforschung der neuen Medien ab. In Deutschland warten Akade­miker noch ab, inwieweit so neumodische Phänomene wie die "Massenmedien" sich würdig erweisen, Objekte der seriösen Wissen­schaft zu werden. "Werden künftig Massenmedien erforscht?", fragt Friedrich Medebach leicht skeptisch in der "Deutschen Universitäts­zeitung" (Nr. 8/1964, S. 3). Nicht auszudenken!
McLuhan avanciert zu dieser Zeit jenseits des Atlantiks bereits zur Popikone – und erklärt die schöne neue Welt der bunten Medien. In der entstehen­den "Gegen­kultur" der Hippies ist Under­stand­ing Media "the all-time most popular stimulus for pothead trips, and [McLuhan's] idea that communi­cations media were replac­ing the old world of jobs with one of 'partici­patory roles' seemed to fit what was happen­ing" (Charles Perry: The Haight-Ashbury: A History. New York 1984, S. 262f.). Der Inspi­rator dieser Trips ist da schon in seinen Fünfzi­gern und steht den Blumen­kindern in Habitus und Lebensstil doch sehr fern, aber beobachtet sie inter­essiert. Gast­professu­ren und Vort­räge machen McLuhan zu dieser Zeit zu einer welt­weiten Berühmt­heit und zu einem viel­beschäftig­ten Unter­nehmens­berater. Seine bekannten Thesen walzt er zu einer ganzen Reihe weiterer Bücher aus.

• Marshall McLuhan (mit Quentin Fiore [Design] und Jerome Agel): The Medium is the Massage: An Inventory of Effects. New York 1967.

Massage? Kein Druckfehler. Das Medium war nach McLuhan eben nicht nur message, sondern auch eine Massage der Sinne. Und dieses Buch sollte die Sinne der Leser wahrhaft reizen. Diesmal die Fußnote zur Fußnote zur Fußnote: Under­standing Media goes visual. Ein bestechendes grafisches Kunstwerk, das den Leser einsaugt. Ein Buch für die äußere Hirnrinde. In seiner Nicht­linearität unverständlich und doch luzide. Auf Intuition gebaut, wie so vieles in McLuhans Œuvre. Bilder, Cartoons, Schlag­worte und einge­streute Zitate. Ein Bestseller, der McLuhan auch außerhalb akade­mischer Zirkel erst so richtig bekannt machte. Zugleich Höhepunkt der McLuhan-Vermark­tung und des McHype – und Ausgangspunkt für die McLuhan-Sekundär­literatur. Eines der meistverkauften Sachbücher aller Zeiten. Bis heute stützen sich dezi­dierte Meinungen über McLuhan oft allein auf dieses Buch, bei dem er eigent­lich nur Zitaten­schnipsel­lieferant war. Ein graphisches Denkmal der 1960er Jahre: Man möchte dabei gewesen sein. Die Hardcover-Erstauflage im Großformat ist heute eine gesuchte Rarität. Schlichtweg eines der besten Design­buch­designs überhaupt. Den Sound­track zum Buch liefert gewisser­maßen Bob Dylans LP "Highway 61 Revisited" (1965). The electric Dylan, im Buch zitiert: "Because something is happening / But you don't know what it is / Do you, Mister Jones?" (S. 105). 1967 brachte CBS sogar eine avant­gardis­tische Lang­spiel­platte zum McLuhan/Fiore-Buch heraus: The Medium ist hier wirklich The Massage, indem es den Hörer mit einer avant­gardis­tischen Klang- und Vortrags-Collage umspült, einem akusti­schen Environ­ment, das "1968" auch heute noch intuitiv-assozi­ativ verständ­lich macht.

McLuhan, The Medium is the Massage, Stuttgarter Zeitung, Wie geht die Welt unter?Am 2. Juli 2013 fragte die "Stutt­garter Zeitung" auf Seite 1: "Wie geht die Welt unter?" – und illustrierte ihr solcher­maßen beworbenes Kultur-"Extrablatt" inter­essanter­weise mit dem Motiv des Platten­covers der McLuhan-LP The Medium is the Massage von 1967. Wir wissen nicht, was es ist, aber es wird schon irgend­wie dazu passen, Mr. Jones.
Scan/Bearbeitung: Oliver Zöllner (2013)



1967/68 ... der McLuhan-Hype. McLuhan überall: als Titelgeschichte von "Newsweek" ("The Message of Marshall McLuhan", 6.3.1967), als Experte im Fernsehen für "alles und irgendwas mit Medien", als Vortragsreisender rund um den Globus – und als Thema von akademischen Sammelbänden und Symposien. Eine der ersten Publikationen überhaupt, die sich auf der Metaebene mit McLuhan auseinandersetzen, ist das von Barry Day in Großbritannien verfasste Lesebuch mit dem schönen Titel I'm the Only One Who Knows What the Hell Is Going On: The Message of Marshall McLuhan. London 1966. Der Titel lässt es erahnen: McLuhans Denkansatz und Schreibstil, mit deren Hilfe er irgendwie alles erklärt, wird hier als arg besserwisserisch und oberflächlich kritisiert. Nuancierter tritt Gerald Emanuel Stearn (ed.): McLuhan Hot & Cool. New York 1967 auf: Ein veritabler akademischer Sammelband, der die Crème de la crème des zeitgenössischen Denkens aufbietet, um McLuhan teils zu widerlegen, teils ihn zu feiern – oder etwas dazwischen. Mit feinem Florett ficht auch Raymond Rosenthal (ed.): McLuhan Pro & Con. New York 1968: Es wird hier der ernsthafte Versuch unternommen, McLuhan zu verstehen und die Frage zu beantworten, wieso ein bis vor kurzem relativ obskurer Literatur­wissen­schaftler aus Kanada nun plötzlich so in aller Munde ist, ja geradezu als Pop-Phänomen gelten kann. McLuhan bringt Diskussionen zum Vibrieren und ironischer­weise die Druckerpressen in Hochbetrieb. Ein weiterer Sammelband konstatiert gar eine McLuhan-"Explosion": Harry F. Crosby & George R. Bond (eds.): The McLuhan Explosion. New York 1968. McLuhan = implosion/explosion Artwork © Oliver Zöllner 2018Dieses Buch ist eine Fund­grube für alle McLuhan-Archäo­logen, denn es ver­sammelt fast alle wesent­lichen Rezen­sionen und Essays aus der Tages- und Wochen­publizistik, die bis dato zu McLuhan erschie­nen waren. Aus dezi­diert marxisti­scher Perspek­tive nimmt Sidney Finkelstein: Sense and Nonsense of McLuhan. New York 1968 McLuhan eng am Text und These für These auseinander. Er deckt zahl­reiche sach­liche und logische Fehler auf. Dennis Duffys heute rares Büchlein Marshall McLuhan. Toronto/Montreal 1969 versucht eher, dem ratlosen Inter­essenten eine Lese­hilfe an die Hand zu geben und die Diskussionen zusammen­zufassen.

Die Titel sagen es: McLuhan inspirierte, polarisierte und verunsicherte die Öffentlichkeit und die akademische Welt gleicher­maßen. Genial? Gnomisch? Gnostisch? Guru? Scharlatan? Prophet? Besser­wisser? Cultural-Studies-Forscher wie Raymond Williams, Stuart Hall, James Carey und John Fekete ("McLuhan­acy") und Semiotiker wie Umberto Eco et al. verdammen McLuhan in ihren Publi­kationen. Andere feiern ihn. McLuhan, das Pop-Phänomen, McLuhan, das Medien­orakel, McLuhan auf jedem Kanal. Leicht zu karikieren, aber keineswegs bedeu­tungs­los. Man kann es fast nur noch im Stil der damaligen Zeit ausdrücken: McLuhan was what was happening. Er war ein Happening.

Der (nicht ganz humor­lose) Studenten­aktivist Abbie Hoffman (Nom de plume: "Free") listet in einem seiner zeitge­nössischen Yippie-Traktate McLuhan unter den drei akademischen "M"s auf, die für die bevor­stehende Revolu­tion bitte zu beachten seien: "Maslow – Marcuse – McLuhan" (und natür­lich die Marx Brothers, einschließlich Karl, wie Hoffman schelmisch hinzufügt): "The first two were my teachers at Brandeis [University], the third I've never met but I watch him on television" (Free: Revolution For the Hell of It. New York 1968, S. 175). McLuhan reist derweil um die Welt, berät Politiker und Firmen, hält gut bezahlte Vorträge. Seine Schriften dagegen verwässern allmählich. In rascher Folge werden weitere McLuhan-Bücher auf den Markt geworfen, die seltsame Titel, wenig Text und tolle Bebil­derungen haben.

• Marshall McLuhan (mit Quentin Fiore [Design] und Jerome Agel): War and Peace in the Global Village: An Inventory of Some of the Current Spastic Situations That Could Be Elimi­nated by More Feedforward. New York 1968.

McLuhan legt auf dem Höhepunkt seines Ruhms nochmal nach. Seine Bücher werden von den Hippies und rebellierenden Studenten bereits verschlungen, doch der Autor bewahrt einen distan­zierten, analytischen Stand­punkt. War and Peace in the Global Village ist eine grafische Studie über den Krieg und die Globali­sierung. Oder genauer: über die Moderne (für McLuhan ist diese ja nichts anderes als ein Krieg gegen die Zivilisation). Vietnam als zeitge­nössische Auseinander­setzung kommt hier nur am Rande vor. Noch weniger die Macht­verhält­nisse, die ein Krieg stets impliziert. Der Medienwandel, die Implosion der neuen elektronisch-zirkulär verschalteten Welt, ist McLuhan bereits Gewalt genug. Man beachte auf jeden Fall den Unter­titel dieses Buches, der in vielen Biblio­grafien unter­schlagen wird. Diese Schrift ist eine Medita­tion über die Zukunft. Und man möchte heute damals nicht Teil dieser Zukunft gewesen sein.

Marshall McLuhan's coach house office building, today housing the McLuhan Program in Culture and Technology, 39A Queen's Park Crescent East, Toronto, Ontario, Canada. Picture © Oliver Zöllner 2008 Ab den 1960er Jahren McLuhans Wirkungsstätte: sein "Centre for Culture and Technology" in einem kleinen Hinterhaus der Universität Toronto. Nach seinem Tod wurde das Centre als "McLuhan Program" weitergeführt (Adresse: 39A Queen's Park Crescent East, Toronto).
Foto: Oliver Zöllner (2008)





McLuhan wandelt sich in dieser Zeit endgültig zum Pop-Phänomen. So sehr zeit­genössi­sche (und heu­tige) Kritiker seiner Thesen und Argu­menta­tions­weise ihn auch ablehnen mögen: Zweifels­ohne war der Kana­dier einer der Wegbe­reiter des "pic­torial turn", der Hin­wendung der Medien­wissen­schaft zum Bild. McLuhan begriff beinahe intuitiv den Stellenwert von ikonischen Zeichen, Images – ja, allem Imaginären. Er machte reichlich Gebrauch davon.

• Marshall McLuhan (mit Harley Parker [Design]): Through the Vanishing Point: Space in Poetry and Painting. New York 1968.

Ein oft übersehenes Non-book-als-Buch für Ikono­logen und Kunst­wissen­schaft­ler. Methode: Pro Seite ein Bild aus einer Phase der Kunstgeschichte (ca. 1450 bis 1968), begleitet von Gedichten, litera­rischen Zitaten und Gedanken­splittern McLuhans. Kunst wird als subversiver Spiegel der Gesell­schaft begriffen, in der neue Techno­logien neue Wahr­nehmungs­weisen bedingen. Asso­ziativ und erratisch. Gilt es noch zu entdecken.

• Marshall McLuhan (mit Harley Parker [Design]): Counterblast. New York 1969.

Dieses Buch knüpft an The Medium Is the Massage und War and Peace in the Global Village an: als grafisches Kunstwerk, das die wesentlichen Thesen McLuhans in Spielereien mit der Typo­graphie illustriert. Perfektes Design der frühen Sechziger. Unbedingt als farbige Originalausgabe anschauen! Als Buch im traditionellen = lineraren Sinne ist Counterblast allerdings verwirrend. Quod erat demonstrandum: "Faced with information overload, we have no alternative but pattern-recognition." (S. 132). Dieser Satz ist bis heute gültig.

• Marshall McLuhan (mit Wilfred Watson): From Cliché to Archetype. New York 1970.

Wieder eine Fußnote zu The Gutenberg Galaxy mit einer (wenn auch weitgehend unklaren) Weiter­entwicklung von McLuhans zentralen Thesen. Im Kern erkundet dieses Buch den Zusammenhang zwischen kulturellen Artefakten und den ihnen zugrunde­liegenden tieferen arche­typischen Motiven. Sperrig, um es milde auszu­drücken. Und ein bisschen Reste­verwertung.

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Die LP 'Anomaly' der Band McLuhan (D: Bellaphon BLPS 19124, 1972). Picture © Oliver Zöllner 2016

McLuhanismen waren um 1970 herum längst Zeitgeist. So orakelte etwa der dem Kosmischen nicht abgeneigte Komponist Karl­heinz Stock­hausen über seine Gegenwart: "...der Beginn eines neuen Bewußt­seins. Was geschieht, besteht nur noch aus dem, was JETZT in der Welt gesendet wird... Die früheren Gegen­sätze von Alt und Neu, von Fern und Nah, von Bekannt und Unbe­kannt lösen sich auf. ALLES ist das GANZE und GLEICH­ZEITIG. Die Zeiten ver­schwinden wie Vorbe­wußtes" (Karl­heinz Stock­hausen: Kommentar­text zum Opus Kurz­wellen [1968/69], LP: Deutsche Grammo­phon 1970). Implosionen und Gleichzeitigkeiten allüberall.
Etwa zeitgleich bringt eine amerikanische Experimental-Jazz­rock­band namens "McLuhan" ihre (einzige) LP unter dem Titel Anomaly (LP: Brunswick/Bellaphon 1972) heraus und setzt sich dort musikalisch mit den Thesen McLuhans auseinander: "A Brief Message From Your Local Media". Irgendwas mit Automation, Fließbandproduktion und "Electric Man". McLuhan wird in die Populärkultur seiner Zeit integriert. Zugleich schreibt er selbst über die Kultur seiner Zeit.

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• Marshall McLuhan: Culture Is Our Business. New York 1970.

McLuhan bleibt produktiv. Kultur! Dieses Buch ist eine Art 'Mechanical Bride' Revisited: eine Sammlung von Werbeanzeigen (diesmal der späten 1960er Jahre), denen McLuhan eigene und fremde Text­schnipsel und Aperçus zum Wesen der US-amerikanischen Konsum­kultur gegenüber­stellt. Roland Barthes hätte es nicht besser gekonnt. Lohnenswert ist das Buch wegen der dokumentierten Print­annoncen, die eine Hoch-Zeit der Kreativität und des Witzes der Madison Avenue verfügbar macht. Für Werbe- und Kulturhistoriker erneut eine Fundgrube. Und für "Mad Men"-Fans obendrein. (Kein Wunder, dass in der ersten Staffel dieser TV-Serie McLuhan gar zitiert wird.)

• Marshall McLuhan & Barrington Nevitt: Take Today: The Executive as Dropout. New York 1972.

Dieser Titel klingt ein wenig nach post-hippie era, ist aber McLuhans prononciertester Ausflug in die Welt der Management­beratung. "The intent of our book is to discuss and illustrate the sudden change from the industrial world of assemby-line 'hardware' and visual space into the electric world of orchestrated programming" (S. 7). Die Manager von 1972 dürften ob all der Wortspiele und literarischen Anspielungen in dem Buch eher verwirrt gewesen sein, aber wer mit dem McLuhanismus vertraut ist, erkennt durchaus die Wandlungen, die die Theorien von angemessener Unternehmens­führung seither durchgemacht haben – und die McLuhan und Nevitt in diesem Buch vorzeichnen. Bisweilen auf bizarre Weise aller­dings und kaum linear lesbar. Immerhin wird in dem Buch u.a. Kritik am Fort­schritts-Management­dogma geübt, was aktuell ja wieder sehr angesagt ist.

Die frühen Siebziger ... und der McLuhan-Hype hat seinen Gipfelpunkt überschritten. Das ubiquitäre Medienorakel verschwindet allmählich aus den Talkshows und den Schlagzeilen. Auch die Veröffentlichungen McLuhans werden seltener und bieten im Wesentlichen nur Neuaufgüsse seiner bekannten Thesen. McLuhan ist zu diesem Zeit­punkt längst per Sekundär­litera­tur kanoni­siert worden, wohl­wollend etwa in der Werk­einführung des französischen Sozio­logen Alain Bourdin: Mac Luhan [sic!]: Communi­cation, technologie et société. Paris 1970, eine Grund­lage für die (lange über­sehene) McLuhan-Rezeption in Frank­reich. Es erscheinen auch Bücher und Traktate, die McLuhans Theorie­ansatz geißeln, etwa aus dem Blickwinkel der Wissenschafts­theorie Jonathan Miller: McLuhan. London 1971 und Donald F. Theall: The Medium is the Rear View Mirror: Understanding McLuhan. Montreal, London 1971. "Even second-rate science fiction today uses the name and concepts of Marshall McLuhan" (Theall, S. xiii). Das mag fast noch ehren­voll klingen, doch McLuhans große Zeit ist (vorerst) vorbei. Hinzu kommen erhebliche gesund­heitliche Probleme des Kanadiers.

1976 hat McLuhan nochmal einen zeitlosen Auftritt: als Neben­darsteller in Woody Allens Spielfilm Annie Hall (Der Stadt­neurotiker). McLuhan spielt McLuhan und weist als deus ex machina einen seiner Kritiker zurück: "You know nothing of my work! You mean my whole fallacy is wrong!" Dieser selbstironische Auftritt ist vielleicht sein größter kleiner Triumph (und in der Tat eine der köstlichsten Szenen des Films). Einen weiteren Auftritt in einem Spielfilm hat McLuhan posthum – jedenfalls als Anspielung. Die Figur des Medienprofessors und -propheten "Brian O'Blivion" in David Cronenbergs frühem Film Videodrome (1983) wurde von vielen Kommentatoren als Anspielung auf Cronenbergs Landsmann McLuhan dekodiert und ist ebenso vergnüglich wie bizarr.

Ein kleines Buch – es sollte McLuhans letztes sein – erscheint 1977: Marshall McLuhan/Kathryn Hutchon/Eric McLuhan: City as Classroom: Under­standing Language and Media. Agincourt, Ont. 1977. Gemeinsam mit einer Pädagogin und seinem Sohn Eric, ebenfalls Medien­wissen­schaft­ler, entwirft McLuhan hier ein didaktisch interessantes und überzeugendes Konzept der schulischen Medienkunde und Medien­soziologie, basierend auf seinen früheren Schriften, aber besser systematisiert und luzider dargelegt. Vielleicht sein bestes Buch – aber auch sein am häufigsten übersehenes.

Former McLuhan home, Wychwood Park, Toronto, Ontario, Canada. Picture © Oliver Zöllner 2008 Das langjährige Haus der Familie McLuhan in einer idylli­schen Gegend Torontos. Hier starb der Medien­philosoph in der Silvester­nacht 1980. Die Adresse wird in Philip Marchands Bio­graphie (1989, dt. 1999) genannt (siehe dort, Kapitel 11 und 12).
Foto: Oliver Zöllner (2010)



An Silvester 1980 stirbt McLuhan nach einem erneuten Schlaganfall. In den 1980er Jahren scheint er in der Medien- und Kommuni­kations­wissen­schaft beinahe vergessen und fristet ein apokry­phisches Fußnoten­dasein. Der allgemeine Trend lautet "McLuhan is dead". Aber nicht nur: 1981 erscheint unter dem trotzigen Titel "The Living Mc­Luhan" ein Themen­heft des Journal of Communi­cation (Volume 31, No. 3), das sich ausschließ­lich den Meriten McLuhans und der Zukunft seiner Denk­ansätze widmet. Und immerhin beziehen sich prominente medien­wissenschaft­liche Mono­graphien jener Zeit auf einige der wesent­lichen Thesen McLuhans bzw. schreiben sie fort: etwa Elizabeth L. Eisen­stein in ihrer fulminanten zwei­bändigen Studie The Printing Press as an Agent of Change: Communi­cations and Cultural Trans­formations in Early-Modern Europe. Cambridge 1979, der McLuhan-Schüler Walter J. Ong: Orality and Literacy: The Techno­logiz­ing of the Word. London 1982 oder der internationale Bestseller von Neil Postman: Amusing Ourselves to Death: Public Discourse in the Age of Show Business. New York 1985. Zwei andere Publika­tionen aus dieser Zeit ordnen McLuhan in die nord­amerika­nische Geistes­geschichte ein: Daniel J. Czitrom: Media and the American Mind: From Morse to McLuhan. Chapel Hill NC 1982 und Arthur Kroker: Technology and the Canadian Mind: Innis, McLuhan, Grant. New York 1984. Ganz verschwunden war McLuhan nie. Am Ende des Jahr­zehnts werden eine Auswahl seiner Briefe (Letters of Marshall McLuhan. Toronto, Oxford 1987), bisher unveröffent­lichte Texte und die erste große Biographie veröffent­licht. Dies ist die Zeit des Revivals der 1960er Jahre, und McLuhan war deren Diskurs-Popstar. Die Wiederent­deckung beginnt.

Ein Blick auf McLuhans nach­gelassene Werke sowie eine Aus­wahl der Schrif­ten über ihn:

• John Fekete: The Critical Twilight: Explorations in the Ideology of Anglo-American Literary Theory from Eliot to McLuhan. London, New York 1978.

Eine frühe Würdigung und Weiterschreibung von McLuhan, dem Literaturwissenschaftler: Eine allerdings sehr trockene Lesart, die sich rein auf akademische Traditionen der Literaturkritik fokussiert und dabei McLuhan neben Eliot, Ransom und Frye als einen Hauptprotagonisten identifiziert. Die zeitgenössische Kritik hielt Feketes Positionen für weitgehend überzogen.

• Marshall McLuhan & Eric McLuhan: Laws of Media: The New Science. Toronto 1988.

Aus den nachge­lassenen Notiz­zetteln und Manuskript­fragmenten seines Vaters fertigte Eric McLuhan, Professor für Medien­wissen­schaft, dieses posthume Buch – als "Update" von Understanding Media. Es ist McLuhans kohärentestes und vielleicht linearstes Buch. Unter anderem wird in ihm das Analysetool der "Tetraden" vorgestellt: Was verstärken Medien, was verdecken sie, welche früheren Medien holen sie zurück und in was verkehren sie sich? Klingt simpel, ist aber durchaus bestechend und analy­tisch praktikabel; eine Art Grammatik der Medien und jeglicher mensch­licher Inter­aktionen.

• Marshall McLuhan & Bruce R. Powers: The Global Village: Transformations in World Life and Media in the 21st Century. New York, Oxford 1989.

Wiederum ein Ergebnis der Nachlassverwaltung, aber durchaus ein inter­essantes – und die konsequente Fortschreibung von Laws of Media: Wie sieht die computeri­sierte Welt von morgen aus? ihre Medien? ihre Gesellschaft? Wie so oft bei McLuhan: Die Begrifflichkeiten sind verquer, die Analysen teils bestechend. Ein an der Renaissance geschulter Denker sagt der im Rückspiegelblick auf das 19. Jahrhundert verharrenden Gegenwart die Zukunft voraus. 2011 ist dies ein größerer Lese­genuss als noch 1989.

• George Sanderson & Frank Macdonald (eds.): Marshall McLuhan: The Man and His Message. Golden, Col. 1989.

War McLuhan Jesus? Auf­machung und Duktus dieses Buches lassen es zumin­dest vermuten. Diese Publi­kation begründet Ende der 1980er Jahre das inzwischen sehr beliebte Genre des McLuhan-Devotio­nalien­buchs: eine Zusammen­stellung von Erinne­rungen und Reminis­zenzen seiner Freunde und Jünger, angereichert mit Zitaten und Schnipseln und weiterem Nach­gelassenem von IHM. Nicht prinzi­piell uninter­essant, aber doch eher etwas für Exegeten, die des Meisters Odem ganz nah sein wollen.

• Philip Marchand: Marshall McLuhan: The Medium and the Messenger. Toronto 1989.

Die erste Biographie zu McLuhan, geschrieben von einem seiner Schüler, aber keineswegs devot. Taucht sehr tief und analytisch in sein Leben und Werk ein, spart dabei kritikwürdige Aspekte und Wider­sprüche nicht aus. Faszi­nierende Lektüre. Sehr lohnens­wert. Ein Meilen­stein der wissen­schaft­lichen Biographie.

• J. Herbert Altschull: From Milton to McLuhan: The Ideas Behind American Journalism. New York 1990.

Eine Ideengeschichte des nordamerikanischen Journalismus und eine Rollengeschichte des Journalisten als professioneller Akteur. Mindestens, so kann man Altschulls Buch verstehen, hat McLuhan dazu beigetragen, dass sich professionelle Kommunikatoren ihrer Rolle und ihrer Bedeutung bei der Prägung von Weltsichten gewahr werden. Es geht auch im Journalismus nicht nur um Inhalte.

• Eric McLuhan & Frank Zingrone (eds.): Essential McLuhan. Concord, Ont. 1995.

Irgendwann zwischen 1994 und 1995 muss das weltweite Interesse an McLuhan geradezu explosionsartig zugenommen haben. Längst vergriffene Schriften wurden wieder aufgelegt, manche auch zum ersten Mal in Fremdsprachen übersetzt. Im Kopf der amerika­nischen Internet­kultur-Zeitschrift "Wired" tauchte McLuhan bereits seit 1992 als "patron saint" auf. Jawoll: das Online-Zeitalter war angebrochen, und jetzt wollten alle Geeks, Nerds, Techies und Medien­wissenschaft­ler etwas von diesem McLuhan lesen. Da kam diese Text­zusammen­stellung von Eric McLuhan und Frank Zingrone gerade recht. Dieses gut strukturierte Lesebuch macht zentrale und abgelegene Texte (etwa das überragend luzide McLuhan-Interview im US-"Playboy", Vol. 16 [1969], Heft 3, S. 53-74 +158) zugänglich, oft in der ursprünglichen ungewöhnlichen Typographie der Erstdrucke. Ein "Best-of"-Sampler sozusagen. Zum Einstieg in das Denkgebäude Marshall McLuhans durchaus zu empfehlen.

• Paul Benedetti & Nancy DeHart (eds.), Alison Hahn & Nigel Smith (Design): Reflections On and By Marshall McLuhan: Forward Through the Rearview Mirror. Cambridge, Mass. 1996.

Dieses Design­kunstwerk­coffee­table­lese­buch hätte McLuhan gefallen: heraus­ragendes Foto­bild­material, meisterhaft asso­ziativ arrangiert und juxta­posiert mit Kurztexten von McLuhan und Einord­nungen von Schülern, Freunden und Jüngern. Entstanden ist das Buch aus einer "Multimedia"-CD-ROM: Under­standing McLuhan (v.1 1996) – der erste (und gelungene) Versuch, McLuhan ernsthaft ins non-lineare Non-Book-Zeitalter zu überführen. Aber so verhaftet sind wir der Gutenberg-Galaxis, dass dann doch noch ein Begleit­buch aus Papier hermusste. McLuhan hätte sich amüsiert. Dieses Blätter­buch also: The Medium is the Massage und War and Peace in the Global Village für das 21. Jahr­hundert: Man wird nicht recht schlau draus, aber es ist schön anzusehen. Wie überhaupt ja das 21. Jahr­hundert. Es wird böse enden.

• Glenn Willmott: McLuhan, or Modernism in Reverse. Toronto, Buffalo, London 1996.

Willmotts Studie analysiert nicht McLuhan, sondern "McLuhan", das mediatisierte postmoderne Pop-Projekt der Moderne und dessen Bedeutung für das intellektuelle Leben von heute. "If McLuhan is to be regarded as a modernist, it must be as a modernist who helped produce the ideology of, and who lived, a new postmodern landscape (...). McLuhan is one of those clichés from the junk pile of critical history which may now be retrieved and retraced as a persistent element of our postmodern critical imaginary" (Willmott, S. 156, 207). Ja, das kann man inzwischen wohl so sagen.

• W. Terrence Gordon: Marshall McLuhan: Escape into Understanding. A Biography. Toronto 1997.

Die zweite größere Biographie. Ebenfalls breit recherchiert. An einigen Stellen distanzierter als Marchands Buch. Auch hervorragend als Einführungs­werk zu gebrauchen. Wer schon nicht mehr linear lesen mag: Gordon hat zeitgleich auch eine Einführung in das McLuhan'sche Denk­gebäude als Comic verfasst: McLuhan for Beginners. New York 1997. Nicht ohne Witz. Sicher etwas für Studierende.

• Paul Grosswiler: Method Is the Message: Rethinking McLuhan through Critical Theory. Montréal, New York, London 1998.

Eines der interessant­esten und tief­schürfendsten Bücher über McLuhan – und bisher kaum rezipiert. Grosswiler liest seinen Landsmann als Dialektiker, dessen Denk­ansatz viele Parallelen mit Marx und ergo der Kritischen Theorie aufweise (wiewohl die Person McLuhan dem alten Marx und seinen Nachfolgern extrem abweisend bis feind­selig gegen­über stand und sich dieser Lesart wohl verwehrt hätte). Eine bestechende und viel­fältig anschluss­fähige Neuinter­pretation.

• Gary Genosko: McLuhan and Baudrillard: The Masters of Implosion. New York, London 1999.

Genosko vergleicht McLuhans Theorieansatz mit dem des franzö­sischen Gesell­schafts- und Medien­theoretikers Jean Baudrillard. "Baudrillard himself has been labeled a 'new McLuhan' who 'out-McLuhans McLuhan'...", wie Paul Grosswiler (1998, S. 169) mit Zitaten aus Douglas Kellners Baudrillard-Biographie anmerkt. Oh wie zirkulär! Diese Post­moderne! In der Tat: Was wäre Baudrillard ohne McLuhan? Immerhin war Frank­reich eines der Länder, in denen der Kanadier recht früh wohlwollend rezipiert und ernst­genommen, gar zum Eck­pfeiler post­struktura­lis­tischen Den­kens wurde. Daran erinnert auch eine kleine mono­grafische Werk­einfüh­rung des Sozio­logen Alain Bourdin: Mac Luhan: Communication, technologie et société. Paris 1970, die auf S. 118 schon so prä­baudrillardesk fragt: "Les « mass média » existent-ils?" Welch weise Provokation! Jahre später stellte Baudrillard dann die Existenz so ziemlich aller mediati­sierten Ereig­nisse radikal in Frage. Realität, Fiktion, Amerika, Golfkrieg et tous: alles bloß Simulation. (Mais oui: McLuhan existait-il?) [Pardon: c'est « Mac Luhan » bien sûr. Médias chauds, médias froids; signe et signifié!] Der Fluch der pata­physika­lischen Effekte der Reversibilität: "isn't McLuhan really a Canadian Baudrillard?" (Genosko, S. 98) Vive l'implosion!

• Paul Levinson: Digital McLuhan: A Guide to the Information Millennium. New York, London 1999.

Ein Blick in die McLuhan-Galaxis des 21. Jahr­hunderts. Ein Hyper­text – früher hätte man gesagt: eine Fußnote – von 200 Seiten im alten Gutenberg-Medium Buch, das immer noch recht lebendig ist. Levinson schreibt McLuhans Denklinien fort und kontrastiert sie mit der weiteren Ent­wicklung der Medien­technologie und medialen Kommunika­tion – und das durchaus mit teilweise sehr kritischer Distanz. Ohne Kenntnis der Primärliteratur ist dieses Buch allerdings für den Leser wenig gewinnbringend.

Und damit willkommen im explosiven 21. Jahrhundert. McLuhan gelingt ein posthumes Comeback. Die Cultural Studies haben McLuhan rehabili­tiert, die Medien­wissen­schaft entdeckt ihn neu. Das "global village" ist längst zur Catch-all-Phrase verkommen – wie auch viele anderen Thesen McLuhans, die im Internet­zeit­alter einer neuer­lichen Analyse und Einordnung bedürfen. Jetzt will jeder McLuhan lesen (oder wenigstens etwas über ihn).

Auf staatlicher Ebene wird McLuhan ein offizieller Namenspatron der public diplomacy Kanadas und posthum zum Theoretiker der kanadischen Landesidentität geadelt. So eröffnet die kanadische Botschaft in Berlin 2015 ihren Marshall McLuhan Salon, eine Art Informationszentrum über Kanada, Medien, Medientheorie und natürlich McLuhan. Es ist weltweit sicher einmalig, dass ein Medientheoretiker Namensgeber des Informations- und Besucherzentrums einer Botschaft ist. Längst werden im öffentlichen Diskurs auch Zitate McLuhans herangezogen, wenn es um das moderne Selbstverständnis Kanadas und sein nation branding geht. "Marshall McLuhan, one of the last century's most seismic thinkers, felt we shouldn't bother [about the presumed lack of a national identity]. 'Canada is the only country in the world that knows how to live without an identity,' he said in 1963", schreibt etwa Charles Foran am 4. Januar 2017 in The Guardian Online. "McLuhan saw in Canada the raw materials for a dynamic new conception of nationhood." Er gilt nun als einer der Vordenker des vielleicht ersten "postnationalen" Landes der Welt. Und war Zeit seines Lebens doch selbst ein Kritiker seines Landes, dem er so oft mangelnden Ehrgeiz vorwarf.

• Christopher Horrocks: Marshall McLuhan and Virtuality. Cambridge 2000.

Ein kleines Büchlein im Taschen­format von kaum 80 Seiten, und dennoch eine passable Einführung in die Anwend­barkeit des McLuhan'schen Denkge­bäudes unter den Bedingungen der Virtua­lität. Horrocks geht davon aus, dass "[n]ew technologies and media have not only been accom­panied by discourses of techno­logy, but have been constructed by them. They all have a bearing on the assumptions that accompany McLuhanism" (S. 32). Horrocks geht diesen Vermutungen und Hypo­thesen unter Rück­griff auf die seiner­zeit aktuellste Sekundär­litera­tur sehr syste­matisch und inspiriert nach – was auch heute noch lesens­wert ist.

• Judith Fitzgerald: Marshall McLuhan: Wise Guy. Lantzville, Montréal 2001.

Diese Biographie führt – wie es sich für ein solches Buch gehört – in das Leben und Werk McLuhans ein, verbleibt aber eher an der Ober­fläche und wird stellenweise zur kumpelig-distanz­geminderten Eulogie. Hier steht nichts, was nicht schon in den fulminanten Biographien von Marchand (1989) oder Gordon (1997) zu finden war (s.o.), dort aber ausführ­licher.

• Friedrich Krotz: "Marshall McLuhan Revisited. Der Theoretiker des Fernsehens und die Me­dien­gesell­schaft". In: Medien und Kommunikations­wissenschaft, 49. Jahrg. (2001), Nr. 1, S. 62-81.

Hervorragend reflektierte und wissenschafts­theoretisch kontextua­lisierte, konzise Einführung in McLuhans Werk, die nicht übersehen werden sollte. Krotz arbeitet fair die Stärken, aber auch die Schwächen des McLuhan'schen Ansatzes heraus. Festzuhalten sei, "dass McLuhan im Detail vermutlich viele unhaltbare Behauptungen aufgestellt hat, die oft weder klar formuliert noch im Detail begründet und belegt waren (...)." Diesem Manko stehe "auf der anderen Seite etwas eindrucksvoll Visionäres gegenüber. (...) McLuhans zentrale Leistung ist (...) seine These der Bedeutung der Bedingungen medialer Kommunikation für Denk- und Gesell­schafts­strukturen und damit die Begründung einer Theorie, die heute gelegentlich als Mediums­theorie bezeichnet wird" (S. 79). McLuhan: der Vordenker der Mediati­sierung des Alltags.

• Richard Cavell: McLuhan in Space: A Cultural Geography. Toronto, Buffalo, London 2002.

Eine tiefgründige Exploration des McLuhan'schen Konzepts des akustischen Raumes, seiner gedanklichen Ursprünge und seiner Adaptionen. Allein 70 Seiten Fußnoten. "(...) acoustic space as formulated by McLuhan bears many traits in common with cyberspace: both are at once virtual and material; both contest notions of 'inside' and 'outside'; (...) both constitute a space that cannot be limited to a single point of view; both place in question rationalist assumptions about experiential phenomena." (S. 224) Dieses Mammutwerk muss von der McLuhanologie noch verdaut werden. Bedauer­lich, dass Cavell das Buch von Genosko (s.o.) noch nicht in seine Überlegungen einarbeiten konnte.

• Marshall McLuhan (Stephanie McLuhan & David Staines [eds.]): Understanding Me: Lectures and Interviews. Toronto 2003.

Eine Sammlung von nachge­lassenen Vorlesungs- und Interview-Transkripten, in denen manches pointierter dargestellt wird als in McLuhans Original­monografien. Bestechend ist, wie nah der Autor in seinen münd­lichen Interviews seinen eigenen Buch­formu­lierungen war. Es befinden sich in dieser Text­sammlung auch echte Schätze für die McLuhan-Exegese, etwa ein Interview mit CBC-TV, in dem McLuhan 1966 nach Meinung der Herausgeber (mehr oder weniger) die Inter­aktivi­tät des Internet-Zeitalters beschreibt. So ganz präzise ist diese Vorausschau vielleicht doch nicht, bietet aber einen interessanten wissen­schafts­archäo­logischen Blick auf die Visionen, die die an sich schon hinrei­chend visio­nären 1960er Jahre von der Zukunft hatten.

• Janine Marchessault: Marshall McLuhan. London, Thousand Oaks, New Delhi 2005.

Noch eine Biographie? Ja. Marchessault vermeidet Fitzgeralds Fehler der Oberfläch­lichkeit und Distanz­minderung. Ihr analytischer Ansatzpunkt zum Nach­zeichnen von Leben und Werk des Biograph­ierten ist die Wissenschafts­geschichte, in der die Autorin McLuhan in all seinen Schaffens­phasen und mit Hilfe vieler Zitate verortet. Das liest sich nicht immer flüssig, ist aber intellektuell ansprechend und eignet sich als empfehlens­werte gründliche Einfüh­rung in den McLuhanismus.

• Lance Strate & Edward Wachtel (eds.): The Legacy of McLuhan. Cresskill, NJ 2005.

Aus einer Konferenz wurden 27 Buchkapitel, die McLuhans Werk und Ideen­gebäude aus vielerlei Perspektiven erläutern. Tenor des Bandes ist, dass McLuhan für das 21. Jahrhundert wohl noch relevanter ist, als er es für das 20. bereits war. McLuhan, der Hypertext-Denker und Cyber-Logiker. Viele der in diesem Buch versammel­ten Texte sind entweder hervor­ragende Einführungen oder äußerst lesens­werte Interpre­tationen und Fort­schrei­bungen. Hier wird McLuhan gefeiert, das ist klar; die kriti­schen Aspekte werden in diesem Sammel­band eher verhalten behandelt.

• Joost Van Loon: "McLuhan and His Influences". In: David Berry & John Theobald (eds.): Radical Mass Media Criticism: A Cultural Genealogy. Montréal, New York, London 2006, S. 161-176.

In diesem gut lesbaren Aufsatz gibt Van Loon keine Einführung in das Werk McLuhans (er setzt voraus, dass man damit vertraut ist), sondern analysiert die den Schriften McLuhans inhärente Logik im Kontext seiner akademischen Vorbilder und Einflüsse (vor allem Harold Innis) und seiner Nachfolger (u.a. Paul Virilio, Neil Postman, Jean Baudrillard). McLuhans Denkansatz erscheint als radikal-kritische Medienanalyse, bei der der technologische Kontext des Theoriegebäudes im Mittelpunkt steht und Medien aus sich selbst heraus verstanden werden sollen. "Whilst the political is by no means irrelevant, a case needs to be made for under­standing media 'as such,' that is to say, not as instruments or tools, but as 'agents' of social and cultural processes. This is why Innis's and McLuhan's works are so important" (S. 174).

• Derrick de Kerckhove, Martina Leeker & Kerstin Schmidt (Hrsg.): McLuhan neu lesen. Kritische Analysen zu Medien und Kultur im 21. Jahrhundert. Bielefeld 2008.

Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass sich die deutsch­sprachige Medien­wissen­schaft nicht näher mit McLuhan beschäftigt habe. In einer lobens­werten trans­atlantischen Kooperation legen ein kanadischer McLuhan-Schüler und zwei deutsche Wissen­schaftlerinnen einen lesenswerten Sammelband vor, in dem das McLuhan'sche Werk teils aus neuen Blickwinkeln betrachtet wird: "Mit McLuhan über McLuhan hinaus" (S. 10) wird der Meta-Diskurs zu dessen Thesen rekonstruiert und weitergedacht. Einige Fallstudien/Beiträge in diesem Buch muten allerdings recht weit hergeholt an – es lebe die idio­synkra­tische Asso­ziation! (Isn't that the essence of McLuhanism?)

• Klaus Sachs-Hombach: "Marshall McLuhans Medientheorie aus bildwissenschaftlicher Sicht". In: Johannes Fromme & Werner Sesink (Hrsg.): Pädagogische Medientheorie. Wiesbaden 2008, S. 151-167. Internetquelle: doi.org/10.1007/978-3-531-90971-4_9.

Auch die Bildwissenschaft entdeckt McLuhan und sieht seinen pädagogischen Ansatz, den er als ein Wegbereiter des "pictorial turn" etwa in "Through the Vanishing Point" (1968) dargelegt hatte. In einer kritischen Darstellung reformuliert Klaus Sachs-Hombach in seinem schönen Aufsatz wesentliche Aspekte der Medientheorie McLuhans - insbesondere ihre Unterscheidung von heißen und kalten Medien. Das Bild erscheint einmal mehr als "kommunikatives Medium", wie Sachs-Hombach bereits 2003 dargelegt hatte.

• Douglas Coupland: Marshall McLuhan: You Know Nothing of My Work!. New York 2010.

Und noch eine Biographie? Ja, sogar eine der lohnens­werteren McLuhan-Biographien, die in den letzten Jahren erschienen sind, verfasst vom Autor des modernen Klassiker­romans Generation X. Formal und inhaltlich ungewöhnlich – man möchte schreiben: mcluhanesk. Amüsant und kurzweilig. Bringt McLuhan auf den Punkt. Und nimmt ihn ernst. "This is the kind of book that will deliver major annoyance to academics who have made a career out of decon­struct­ing McLuhan’s effort to define the modern media ecosystem", wie David Carr in seiner Rezen­sion in der "New York Times" vom 9.1.2011 schrieb. Kernthese der Biographie ist die des verkann­ten, etwas zu unge­wöhnlichen Genies; der Untertitel greift McLuhans Cameo-Auftritt (as himself) in Woody Allens Film "Annie Hall" auf (s.o.). Sicher zu weit geht Couplands steile These, McLuhans spezielle Bega­bung habe auf einer Art von "Autis­mus" beruht – da wider­sprechen die Zeit­zeugen. Insge­samt kommt Coupland zu folgen­dem Schluss: "To reread Marshall's work as a map for what is to come next for our culture is a tantaliz­ing and iffy proposition" (S. 203). Aber McLuhans Stachel bleibt: Die richtigen Fragen zu stellen und nicht unbedingt sofort die richtigen Antworten parat zu haben. The Big Probe. "(...) getting into [McLuhan] is, for most people, like visit­ing Antarctica. You have to have time, patience, endurance, means, and stubborn­ness to do so, and once you're there, you're unsure of just what it is you will find" (S. 142, Fn. 22).

• Marshall McLuhan: Counterblast: 1954 Edition. Foreword by W. Terrence Gordon. Berkeley, Hamburg 2011.

Der Gipfel des Memorabilia-Handels: zwar keine Haarlocke McLuhans, aber immerhin ein kleines Pamphlet, das er 1954 privat drucken ließ in der Hoffnung, es würde die Welt wach­rütteln und sie auf ihn aufmerksam machen. Das war verfrüht. Es wurde 15 Jahre später immerhin ein Buch daraus (Counterblast, 1969, s.o.), aber auch die Keimzelle eines Manuskripts kann ja noch vermarktet werden. Und mit einem Vorwort des McLuhan-Biogra­phen Terrence Gordon versehen, kann man auch aus 18 wild typo­graphierten Seiten mit ebenso wilden Aphorismen noch ein großformatiges Hard­cover­buch machen – "Limited Edition" natürlich. Ein Fan­artikel zum "McLuhan Centennial", wie es der Verlag nennt. Es wäre selbst­verständ­lich absolut unmöglich gewesen, diesen kleinen Archiv­fund kontextu­alisiert in einem Sammel­band zu präsen­tieren.

• Sven Grampp: Marshall McLuhan. Eine Einführung. Konstanz 2011.

"Kleinteilige Analyse ist McLuhans Sache nicht. Ihm geht es um die großen Linien", schreibt Sven Grampp treffend in seiner Einfüh­rung in das McLuhan'sche Denk­gebäude (S. 148). Grampp geht in seinem Band daran, diese großen Linien en détail nachzu­zeichnen. Dabei gelingen ihm durchaus originelle Ansätze, wie schon seine Kapitel­über­schriften dokumen­tieren: "Mc­Luhan singen" (Lesart: Rhetorik), "Mc­Luhan ver­stehen" (Lesart: Her­meneu­tik), "Mc­Luhan zer­stö­ren" (Lesart: Kritik), "McLuhan nutzen" (Lesart: Pragma­tismus). Der media­litäts­wissen­schaft­liche Leseansatz funktio­niert prächtig, da Grampp zahlreiche Quer­bezüge aufzeigt, auf die inzwischen ja reich­haltige Sekundär­literatur zurückgreifen kann und McLuhan so gewissermaßen zum Tanzen bringt. Alles in allem eine inspi­rierende intellektu­elle Ausein­ander­setzung mit einem "Klassiker".

• Thomas MacFarlane: The Beatles and McLuhan: Under­standing the Electric Age. Lanham, Toronto, Plymouth 2013.

McLuhan, der konservative Anti-Hippie, hat mit seinen Ansichten zu Krieg und Frieden, dem globalen Dorf mit kosmischem Bewusst­sein und zu Westlern, die "orienta­lisch" werden usw. natürlich stark die Alternativ­bewe­gungen der späten 1960er Jahre beein­flusst – Charles Perry weist in seiner Darstellung The Haight-Ashbury: A History (New York 1984) an mehreren Stellen explizit darauf hin. Es gibt sogar eine (wenig bekannte) direkte Verbindung: Kurz vor Weihnachten 1969 inter­viewte McLuhan John Lennon und Yoko Ono, die gerade mit ihrer Friedens­kampagne "War Is Over!" weltweit Furore machten. Der Musik- und Medien­wissen­schaftler Thomas MacFarlane nahm dies als Ausgangs­punkt seiner Analyse des zeit­histori­schen Zusammen­hangs von Popmusik, geän­derten Aufnahme­techniken, Produktions- und Rezeptions­modi und eben den Schriften McLuhans. Kapitel­über­schriften wie "The Simulta­neous Worlds of Sgt. Pepper" oder "Mystery Tours in the Global Village" machen dies deutlich. Mit seinen Detail­analysen einiger zentraler Beatles-Stücke erschließt MacFarlane McLuhan für die Musik­wissen­schaft. So wüst der Titel dieses Buches zunächst auch klingen mag: Es ist eine höchst inter­essante Rekon­struktion und Analyse einer meist über­sehenen popkulturellen Verbindung.
Wir warten nun auf Bücher wie "The Gang of Four and Jacques Lacan: Under­stand­ing Power Structures", "The Dead Kennedys and Frantz Fanon: Califor­nia Eats the Rich" oder "Radio­head and Philo­sophy: Fitter Happier More Deductive". (Letzteres gibt es sogar bereits wirklich, wenn auch ohne McLuhan-Bezüge, hrsg. von Brandon W. Forbes und George A. Reisch [2009]. Aber die Bezüge zwischen der Band Radiohead und McLuhan liegen beinahe auf der Hand; Phil Rose hat sie 2016 in einer umfassenden Studie freigelegt – siehe unten.)

• Brian P. Schaefer & Kevin F. Steinmetz: "Watching the Watchers and McLuhan's Tetrad: The Limits of Cop-Watching in the Internet Age". In: Surveillance & Society, Vol. 12 (2014), No. 4, S. 502-515. Internetquelle: https://ojs.library.queensu.ca/index.php/surveillance-and-society/article/view/tet­rad/mcluhans­tetrad.

Seit 1992 Polizisten in Los Angeles den Bürger Rodney King anlasslos höchst brutal verprügelten und dabei gefilmt wurden, haben sich Amateurvideos dieser Art zu einem eigenen Genre entwickelt. "Cop-watching" findet heute nicht zuletzt auch via YouTube statt und versteht sich als Bürgerrechtsaktivität. Das demokratische Potenzial dieser Videos enthält in seinem Kern aber zweifellos ebenso den Topos der Überwachung. Das Medium sei auch hier die Botschaft, meinen Schaefer und Steinmetz mit Rückgriff auf McLuhan (1964) und McLuhan/McLuhans "Tetraden"-Konzept (1988), und argumentieren, dass das hemmungslose oder unbedachte Teilen und Weiterleiten von "Cop-watching"-Videos das politische Potenzial des bürger­rechtlichen Engagements teilweise auch neutralisieren könnte.

• Jana Mangold & Florian Sprenger (Hrsg.): 50 Jahre Understanding Media. In: Navigationen. Zeit­schrift für Medien- und Kulturwissenschaften, 14. Jahrg. (2014), Nr. 2. Internetquelle: https://dokumentix.ub.uni-siegen.de/opus/voll­texte/2015/837/pdf/Naviga­tionen_50_Jahre_under­stand­ing_media.pdf.

Diese Festschrift in Zeitschriftenform hätte McLuhan sicher gefallen. Zum 50. Jubiläum des Erscheinens von Understanding Media geben Medien- und Kulturwissenschaftler/innen der Universität Siegen ein Themenheft heraus, das sich mit dem Erbe McLuhans in Makroperspektive auseinandersetzt. Was bedeutet es heute fernzusehen und das Fernsehen zu verstehen? Was heißt es zu lesen? Was dachte man vor 50 Jahren, was die medial-technologische Entwicklung bringen würde? Welche Bedeutung hat McLuhans opus magnum heute? Eine lesenswerte Publikation mit einem Blick in den Rückspiegel nach vorne.

• Stefan Münker: Immer wieder sonntags – Marshall McLuhan und die Message des Tatorts. In: Wolfram Eilenberger (Hrsg.): Der Tatort und die Philosophie. Schlauer werden mit der beliebtesten Fernsehserie. Stuttgart: Tropen, S. 189-203.

Oh, welch' eine Preziose dieser kleine Text ist! Stefan Münker zieht die großen Thesen McLuhans heran (Medium = Botschaft; Fernsehen = der schüchterne Riese usw.) und filetiert damit die vielschichtigen Bedeutungsebenen der in teutonischen Gefilden so unverwüstlichen TV-Serie mit ihren so liebgewonnenen Erzählmustern, Ritualen und Marotten. Das liest sich vergnüglich und macht manch einen Fernsehsonntag gerne zu einem Büchersonntag, zumal auch die übrigen Beiträge des Bandes sehr lesenswert sind. Was andererseits auch beinahe wieder schade ist, denn: Die "Botschaft, die der Tatort als Medium (und gänzlich unabhängig vom jeweiligen Inhalt) ist, (...) besteht in der medialen Vergemeinschaftung seiner Zuschauerschaft" (S. 203). Und die möchte man fast nicht missen.

• Jane O'Dea: "Media and Violence: Does McLuhan Provide a Connection?" In: Educational Theory, Vol. 65 (2015), No. 4, S. 405-421.

Schulmassaker sind längst ein weltweites Phänomen. Sie beleben (leider) regelmäßig die Debatte um den Zusammenhang zwischen Medien und Gewalt. Sind gewalthaltige mediale Darstellungen - etwa in Form von Spielfilmen oder Shooter-Games - schuld an bestimmten Gewalttaten Jugendlicher? Diese Debatte hat eine sehr lange Tradition. In ihrem Beitrag bezieht sich Jane O'Dea auf den kulturellen Kontext der Postmoderne (in Baudrillard'scher Prägung), hinterfragt kritisch die Validität des Links zwischen Medien und Gewalt, wie sie McLuhan hypothetisiert hat, und zieht daraus Schlussfolgerungen für die Pädagogik.

• Phil Rose: Radiohead and the Global Movement for Change: "Pragmatism Not Idealism". Madison, Teaneck 2016.

Man muss bei diesem Buch eigentlich nur das Vorwort und die Einleitung aufschlagen, um zu merken, dass McLuhan und sein Nachfolger Neil Postman hier eine zentrale Rolle spielen. Phil Rose unterzieht die Musik der britischen Band Radiohead und speziell ihres wegweisenden Albums "OK Computer" (1997) dem McLuhan'schen Analysemodell von figure und ground und zeigt im Sinne des Postman'schen Theorems der Technopolis (1992) auf, inwiefern der multi­mediale Text von Radiohead die techni­zistische Prägung der Kultur des ausgehenden 20. Jahrhunderts vorgezeichnet hat. Wenn McLuhan 1964 Recht hatte mit seiner Behauptung, Künstler seien so etwas wie ein Frühwarn­system zukünftiger Entwicklungen, dann dürfen die Herren von Radiohead als Sirenen gelten. Phil Rose seziert deren Statements über den Zustand und die Zukunft der Gesellschaft aus allen Blickwinkeln. Dieses Buch zeigt in seiner beein­druckenden Viel­schichtig­keit auf, wozu literarisch-medien­soziologische bzw. medien­ökolo­gische Analysen im Stande sind.

• Till A. Heilmann & Jens Schröter (Hrsg.): Medien verstehen. Marshall McLuhans Understanding Media. Lüneburg 2017. Internetquelle: https://meson.press/wp-content/up­loads/2017/09/978-3-95796-116-7_Medien-verste­hen.pdf.

Ein Sammelband, der McLuhans ganz grund­sätzliche Frage aufgreift, wie Medien zu verstehen seien (eine so sehr anschlussfähige Frage, die aber in der 1968 erschienenen deutschen Übersetzung des Klassikers von 1964 leider im Titel verwässert worden war). Zehn Autorinnen und Autoren greifen just diese Frage in Verbindung mit zentralen Topoi von McLuhan auf und denken sie weiter. Ihre Namen lesen sich wie ein Who Is Who der deutschsprachigen McLuhanisten – aber natürlich gibt es noch weitere (siehe oben, siehe unten). Wie wird ein Klassiker kodifiziert? Dieser Sammelband zeigt es auf und produziert zugleich sehr wesentliche Selbst­vergewisserungen der Medien­wissenschaft.

Many McLuhans or None at All: Special Issue of the Canadian Journal of Communication (CJC), Vol. 44, No. 4 (2019). Internetquelle: https://cjc-online.ca/index.php/journal/issue/view/181.

Lesarten, Sichtweisen, Reinterpretationen ... und viel fundamentale Kritik. Die aber letztlich Wertschätzung und Reverenz ausdrückt. Irgendwie bleibt McLuhan relevant. Interessant: Hier findet sich eine erste größere anti-rassistische Kritik am Altmeister. Der hätte sich gefreut, denn alle Artikel sind Open Access.

• Peter Bexte & Martina Leeker (Hrsg.): Ein Medium namens McLuhan. 37 Befragungen eines Klassikers. Lüneburg 2020. Internetquelle: meson.press/wp-content/uploads/2020/12/9783957961785-Medium_McLuhan.pdf.

Aus der Einleitung der Herausgeber:in: Dieses Buch "greift einen Faden wieder auf, der bei einer internationalen McLuhan-Konferenz im Jahr 2007 geknüpft wurde." Den seinerzeit Interviewten wie auch einigen neuen Gesprächspartner:innen wurden 2019 drei neue Fragen gestellt: "1. Welche Rolle spielt McLuhan für Sie heute, im Jahr 2019? 2. Welche Aufgaben hat Medienwissenschaft heute? Oder stellt sich diese Frage 2019 gar nicht mehr im Singular, muss es immer schon heißen: Medienwissenschaften? 3. 'Welche Bereiche unserer Kultur werden in den nächsten Jahren vom Einfluss des Computers verschont bleiben?' So hat 2007 die Frage gelautet. Wie stellt sie sich 2019?" Die sich so ergebenden 37 Antworten sind vergnüglich zu lesen.

• Jens Schröter: "Medientheorie der Automation (Marshall McLuhan)". In: Ivo Ritzer (Hrsg.): Schlüsselwerke der Medienwissenschaft. Wiesbaden 2020, S. 39-52. Internetquelle: doi.org/10.1007/978-3-658-29325-3_3.

Eine Einführung in McLuhans Werk mit besonderem Fokus auf seine Positionen zu Automation, Arbeit und Kapital - oder was wir heute die Analyse des digitaltechnologischen Komplexes nennen könnten.

• Friedrich Krotz: "Philosophische Theorien in der Medienpädagogik: Marshall McLuhan". In: Uwe Sander, Friederike von Gross & Kai-Uwe Hugger (Hrsg.): Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden 2020. Internetquelle: doi.org/10.1007/978-3-658-25090-4_31-1.

Oft wird in der Rezeption des Werks übersehen, wie sehr McLuhan (auch) Medienpädagoge war. Ein Philosoph ohnehin, wenn auch fern der üblichen akademischen Philosophie. Dieser Beitrag sortiert McLuhan in die Mediumstheorie ein und entwickelt die Vorstellung vom "globalen Dorf" weiter. Konzis und lesenswert.

• Johannes Bruder, Nelly Y. Pinkrah & Sarah Sharma: "McLuhan unter Palmen. Über Orte des Denkens, Sprechens und Handelns". In: Zeitschrift für Medienwissenschaft. Jg. 2, Heft 26 (1/2022): X | Kein Lagebericht, S. 25-139. Internetquelle: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5889-7/zeitschrift-fuer-medienwissenschaft-26/.

Aus dem Abstract: "In diesem Beitrag diskutieren Johannes Bruder, Nelly Y. Pinkrah und Sarah Sharma über die Performativität von Marshall McLuhans Medientheorie, Praktiken des re-reading and re-writing des Kanons, antirassistische und feministische Pädagogik, akademischen Aktivismus, den Diversity-Equity-Inclusion Complex und die Frage, ob Elon Musk (auch) ein Medientheoretiker ist." Also eigentlich implodierend über das ganze globale Dorf in seinem jämmerlichen Zustand. Hoffentlich kann McLuhan noch helfen. Und auf jeden Fall ist Elon Musk (auch) ein Medientheoretiker. Das ist jetzt jede:r. Für 15 Minuten.

• Sarah Sharma & Rianka Singh (eds.): Re-Understanding Media: Feminist Extensions of Marshall McLuhan. Durham 2022.

McLuhan aus der feministischen Perspektive interpretiert, kritisiert und dekonstruiert. Hatte McLuhan wirklich nur den männlichen weißen Körper im Blick, als er Medien als Erweiterungen desselben entwarf? Zumindest war bei ihm in den 1960er und 1970er Jahren das Denken in Genderkategorien noch weitaus unterentwickelt. McLuhans Blick auf den weiblichen Körper, etwa in der Werbung seiner zeitgenössischen Gegenwart, bedarf daher in der Tat einer Reformulierung.

• Jörg Noller: Digitalität. Zur Philosophie der digitalen Lebenswelt. Basel 2022.

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass die akademische Philosophie sich mit McLuhan beschäftigt. Jörg Noller nimmt ihn in seinem Essay zur Digitalität als "neue ontologische Struktur" gar als Ausgangspunkt seines weiteren Nachdenkens über die "performative[n] Realitäten" (S. 7), die McLuhan mit seinem Diktum von den Medien als Botschaften einstmals und sehr früh umrissen hat. Natürlich geht dies nicht ohne auch eine Kritik an McLuhans "Medienblindheit", die Noller mit seinem ontologisch orientierten Blick auf die Digitalität überwinden möchte: "Wir nehmen also nicht nur nicht das Medium wahr, sondern auch nicht jene Realitäten, die auf dem Medium emergieren" (S. 8). Ein lohnendes Buch und eine würdige Weiterentwicklung einiger Thesen McLuhans in das 21. Jahrhundert.

• Steffen Burkhardt: "Klassiker der Organisationsforschung (47): Marshall McLuhan: Das Medium ist die Organisation". In: Organisationsentwicklung: Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management, 42. Jg. (2023), Heft 2, S. 109-111.

Nicht nur Medientheoretiker, Medienpädagoge und Philosoph war McLuhan, so ließe sich hinzufügen, sondern eben auch Organisationskultursoziologe. In der Tat und mindestens seit "Culture Is Our Business" (1970) und "Take Today: The Executive as Dropout" (1972). McLuhan wird inzwischen sehr viel breiter rezipiert als zu seinen Lebzeiten.

• Martina Sauer: "Marshall McLuhan in a New Light: Old or New Methods of Influencing Emotions in Communities of the Electronic Age". In: Lars Grabbe, Andrew McLuhan & Tobias Held (eds.): Beyond Media Literacy (Welt Gestalten, Vol. 7). Marburg 2023, S. 14-32.

Ausgehend von der McLuhan'schen Grundposition, dass Medien und der menschliche Körper nicht trennbar sind, fragt dieser Beitrag, wie es möglich ist, dass Gefühle in bestimmten Gemeinschaften von Medien beeinflussbar sind. Das Medium ist eine Botschaft, die durch körperliche Wesen ausgedrückt wird. Diese Verbindung, so Sauer, dient als analoges Übertragungsprinzip, das sich in nicht-diskursiven, affektiven Formen und Modi der Wahrnehmung widerspiegele, so die Autorin in ihrem Blick auf neuere empirische Ergebnisse. Mitherausgeber des Bandes ist nota bene Andrew McLuhan, Enkel von Marshall und Sohn von Eric McLuhan. Er ist Leiter des 2017 gegründeten McLuhan Institute in Toronto.

Und es gibt noch viel, viel mehr Publikationen über McLuhan. Auch bisher Unver­öffent­lichtes aus der Feder des Meisters wird ausgegraben. Es nimmt kein Ende. Warum auch? McLuhan brummt, verle­gerisch gesprochen. Die Publika­tionen seien im Folgenden – ohne Garantie der Vollstän­digkeit – als Resultat einer Katalog­recherche (hier vorwie­gend für englisch-, franzö­sisch- und deutsch­sprachige Titel) aufge­zählt. Mancher dieser Titel findet sich übrigens leichter bei Amazon oder eBay als in wissen­schaft­lichen Katalogen, was im Sinne McLuhans (1964, S. 7) lediglich demonstriert, dass die Zeiten sich ändern. Jeder schreibt jetzt ein McLuhan-Buch. Manche sogar mit identi­schen Titeln. Denn die Idee des Copy­rights ist bekannt­lich ohnehin obsolet.

• Nachgelassenes und Neueditionen:

• Marshall McLuhan; Michel A. Moos (ed.): Media Research: Technology, Art, Communication: Essays. Amsterdam 1997.

• Marshall McLuhan; W. Terrence Gordon (ed.): Understanding Media: The Extensions of Man. Critical Edition. Corte Madera, Cal. 2003.
Lobens­werte kritische Edition des bekann­testen Werks.

• Marshall McLuhan; David Carson (ed.): The Book of Probes. Corte Madera, Cal. 2003.

• Marshall McLuhan: Unbound. Essays Selected by Eric McLuhan. General Intro­duction and Essay Intro­duction by W. Terrence Gordon. Corte Madera, Cal. 2005.

• Marshall McLuhan: The Classical Trivium: The Place of Thomas Nashe in the Learning of His Time. Corte Madera, Cal. 2006 (= Diss., Univ. Cambridge 1943).
Die ausge­grabene Disser­tation.

• Marshall McLuhan & Jean Paré: Conversations avec McLuhan, 1966-1973. Montréal 2010.

• Marshall McLuhan & Eric McLuhan: Media and Formal Cause. Houston 2011.


• Übersichten, Einführungen, Interpreta­tionen:

• Graeme Patterson: History and Communications: Harold Innis, Marshall McLuhan, the Interpretation of History. Toronto 1990.

• Martin Baltes & Fritz Böhler/Rainer Höltschl/Jürgen Reuß (Hrsg.): Medien verstehen. Der McLuhan-Reader. Mannheim 1997.

• Donald F. Theall: The Virtual Marshall McLuhan. With a Historical Appendix by Edmund Carpenter. Montreal 2001.

• Mark Federman: McLuhan for Managers: New Tools for New Thinking. Toronto 2003.

• Gary Genosko (ed.): Marshall McLuhan: Theoretical Elaborations. London, New York 2005.

• W. Terrence Gordon, Eri Hamaji & Jacob Albert: Everyman's McLuhan. New York 2007.

• Clemens Bohrer: Babel oder Pfingsten? Elektronische Medien in der Perspektive von Marshall McLuhan. Ostfildern 2009.

• W. Terrence Gordon: McLuhan: A Guide for the Perplexed. New York 2010.

• Paul Grosswiler (ed.): Transforming McLuhan: Cultural, Critical, and Postmodern Perspectives. New York, Washington DC, Baltimore, Bern, Frankfurt a.M., Berlin, Brussels, Vienna, Oxford 2010.

• Robert K. Logan: Understanding New Media: Extending Marshall McLuhan. New York, Washington DC, Baltimore, Bern, Frankfurt a.M., Berlin, Brussels, Vienna, Oxford 2010.

• Martin Baltes & Rainer Höltschl (Hrsg.): Absolute Marshall McLuhan. Mit einem biogra­fischen Essay von Philip Marchand. Freiburg i.Br. 2011.

• Matteo Ciastellardi, Cristina Miranda de Almeida & Carlos A. Scolari (eds.): Understanding Media, Today: McLuhan in the Era of Convergence Culture [McLuhan Galaxy Conference Proceedings]. Barcelona 2011.

• Elena Lamberti: Marshall McLuhan's Mosaic: Probing the Literary Origins of Media Studies. Toronto, Buffalo, London 2012.

• Jeffrey T. Schnapp & Adam Michaels: The Electric Information Age Book: McLuhan, Agel, Fiore and the Experi­mental Paper­back. New York 2012.

• Gabriele Frasca: Joyicity. Joyce con McLuhan e Lacan. Napoli 2013.

• Robert K. Logan: McLuhan Misunderstood: Setting the Record Straight. Toronto 2013.

• Yoni Van Den Eede: Marshall McLuhan as Philosopher of Technology - Toward a Philosophy of Human-Media Relationships. Brussels 2013.

• Rita Leistner: Looking for Marshall McLuhan in Afghanistan. Text and iPhone Hipstamatic Photography. Bristol 2013.

• Aldo Vincent: This Is Not a Book: Understanding Marshall McLuhan. eBook 2014.

• B. W. Powe: Marshall McLuhan and Northrop Frye: Apocalypse and Alchemy. Toronto 2014.

• Carmen Birkle, Angela Krewani & Martin Kuester (eds.): McLuhan's Global Village Today: Transatlantic Perspectives. London 2014.

• Jaqueline McLeod Rogers, Catherine G. Taylor & Tracy Whalen (eds.): Finding McLuhan: The Mind, the Man, the Message. Regina 2015.

• Robert K. Logan: The Future of the Library: From Electric Media to Digital Media. New York 2016.

• Paul Levinson: McLuhan in an Age of Social Media. New York 2016.

• Richard Cavell: Remediating McLuhan. Amsterdam 2016.

• Andrea Lombardinilo: McLuhan and Symbolist Communication: The Shock of Dislocation. Oxford, Bern, Berlin 2017.

• Corey Anton, Robert K. Logan & Lance Strate (eds.): Taking Up McLuhan's Cause: Perspectives on Media and Formal Causality. Bristol, Chicago 2017.

• Shinichi Furuya: Masse, Macht und Medium. Elias Canetti gelesen mit Marshall McLuhan. Bielefeld 2017.

• Lars C. Grabbe, Oliver Ruf & Tobias Held (eds.): Eric McLuhan and the Media Ecology in the XXI Century. Marburg 2021.

• Alex Kitnick: Distant Early Warning: Marshall McLuhan and the Transformation of the Avant-garde. Chicago, London 2021.

• Robert K. Logan: McLuhan in Reverse: His General Theory of Media (GToM). New York 2021.

• Paula McDowell (ed.): Reading McLuhan Reading. London, New York 2023.


• Dissertationen und veröffent­lichte Seminar­arbeiten:

• Liss Jeffreys: The Heat and the Light of Marshall McLuhan: A 1990s Reappraisal. Diss., McGill University, Montreal 1997.

• Vera Dreyer: Selbstdarstellung und Authentizität im Spiegel medien­wissenschaf­tlicher Konstruk­tionen am Beispiel Marshall McLuhans. Diss., Univ. der Künste Berlin 2005.

• Sonja Yeh: Anything goes? Postmoderne Medientheorien im Vergleich. Die großen (Medien-)Erzählungen von McLuhan, Baudrillard, Virilio, Kittler und Flusser. Bielefeld 2013 (Diss., Univ. Münster 2012).

• Sarah Trede: Marshall McLuhan: Das Medium ist die Botschaft. Diskussion einer grundlegenden These der Medien­theorie im 20. Jahr­hundert. München 2006.

• Karoline Kmetetz-Becker: Zu: Marshall McLuhan – "Die mechanische Braut". München 2007.

• Katrin Parigger: Marshall McLuhan – mit dem Fernsehen in die Netzwerk­gesell­schaft. München 2008.

• Ellen Thießen: Marshall McLuhan: Das Medium ist die Botschaft. Diskussion einer grund­legenden These der Medientheorie im 20. Jahr­hundert. München 2009.

• Clemens Bohrer: Babel oder Pfingsten? Elektro­nische Medien in der Perspektive von Marshall McLuhan. Ost­fildern 2009.

• Christian Huberts: Raumtempe­ratur. Marshall McLuhans Kate­gorien "heiß" und "kalt" im Computer­spiel. Salz­hemmen­dorf 2010.

• Florian Sprenger: Medien des Immediaten. Elektrizi­tät, Telegraphie, McLuhan. Berlin 2012 (Diss., Univ. Bochum 2011).

• Anett Oertel: Wie verändern die elektronischen Medien das Konzept der Literalität und unseren Umgang mit Wissen? Positionen zwischen Euphorie und Kulturkritik. München 2012.

• Marina Ehrngruber: Herbert Marshall McLuhan. Eine Analyse von "Die mecha­nische Braut" anhand von Bei­spielen des Mediums Comics. München 2013.

• Ena Weiss: Die Macht des Fernsehens. Es macht die Dummen dümmer und die Klugen klüger. Ausarbeitung der medientheoretischen Ansätze von Marshall McLuhan, Neil Postman und Hans Magnus Enzensberger. München 2013.

• Valia Kraleva: Marshall McLuhan: Wer er war, wer er wurde. München 2013.

• Janine Knodel: Marshall McLuhan "Das Medium ist die Botschaft" und seine Auswirkungen auf die Gesellschaft. München 2013.

• Shinichi Furuya: Masse, Macht und Medium. Elias Canetti gelesen mit Marshall McLuhan. Bielefeld 2017 (Diss., Univ. Bochum 2014)

• Jana Mangold: McLuhans Tricksterrede. Archäologie einer Medientheorie. Berlin 2018 (Diss., Univ. Erfurt 2015).


Das wird man nun alles noch lesen müssen, so interessant es auch ist.

An der Universitat Oberta de Catalunya (Barcelona) erschien überdies ab 2011 das International Journal of McLuhan Studies: elektronisch selbst­verständlich und auch als gedrucktes Jahrbuch. Lange hat das Journal nicht durchgehalten. Kein Wunder, wenn jeder zweite Essay und (gefühlt) jede Seminararbeit inzwischen als Monographie erscheint. Wir publizieren uns zu Tode. Die Speziali­sierung und Kompart­mentali­sierung der Wissen­schaft und des Denkens schreitet somit weiter voran. War das nicht ursprüng­lich einmal ein Angriffs­ziel McLuhans?


Conclusio / Retrieval : Cliché + Archetype = Message¦Massage¦Mess-age¦Mass-age¬

Was also bleibt von McLuhan? Letztlich ein recht schmales Œuvre, wenn man auf das Verzeichnis der Original­schriften blickt (und die Resultate seines privaten Geschäftsmodells der klein­teiligen Reste­verwertung abzieht). Gelesen haben sollte man sicher The Gutenberg Galaxy und Understanding Media: zwei zum Denken inspi­rierende Bücher, die Bestand haben werden, trotz vieler Schwächen; das posthum erschienene Laws of Media hilft einige Unklarheiten zu beseitigen. Beinahe noch inter­essanter ist allerdings die Sekundär­literatur und der sich in ihr entspannende akademische (und auch populäre) Diskurs über und rund um McLuhan ab ca. 1967. Man erhält auf diese Weise (und in der bequemen Rückschau) Einblicke in wissen­schaftliche und publizis­tische Moden, Marotten und Themen­karrieren – und letzten Endes eine Lektion dessen, was man heute mediati­sierte Popkultur nennt. McLuhan war für sie Treibsatz, Projektions­fläche und, ja, Medium. McLuhan, dieses Phänomen der Wissen­schafts­pop­kultur, war die Botschaft.


Post no bills: McLuhan Program in Culture and Technology signpost, 39A Queen's Park Crescent East, Toronto, Ontario, Canada. Picture © Oliver Zöllner 2008 Post no bills: das "McLuhan Program in Culture and Technology" der Universität Toronto. Finanzierung und Zukunft wie immer: ungewiss.
Foto: Oliver Zöllner (2008)


Article copyright © Oliver Zöllner 2011-20. Deposited: 21 July 2011. Last modified: 01 October 2023.
An earlier and shorter version of this article has been posted at https://www.hdm-stuttgart.de/science/view_beitrag?science_beitrag_ID=104.



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